Wenn Autoren an einer Szene oder einem Kapitel nicht weiterschreiben, finden sie meistens irgendwelche Ausreden, warum sie ja wollen, aber nicht können. Ich bin gerade in genau so einer Situation, und das im Zweiten Kapitel von Zornesbraut. Und es ist nicht so, daß ich erst seit drei Wochen daran arbeite und einfach keinen Plan habe, wie es weitergeht: Nein, an dem Kapitel schreibe ich schon ein gutes Jahr, gefühlt zumindest. Und ich weiß genau, was in diesem Kapitel vorkommen soll. Und die ersten fünfundzwanzig Seiten davon habe ich schon geschrieben, und es ist alles so geworden wie es sollte, und es hat Witz, und es gefällt mir – und dann kommt mir das Kontinuum in die Quere, mein eigenes Kontinuum, und ich komme nicht weiter.
In diesem Kapitel passieren ein paar nette und ein paar weniger nette Dinge – Natara kommt in die Pubertät und entwickelte erste Auswüchse knospender Weiblichkeit, was nett ist und seitenlang so viele Brüste reflektiert werden, daß jeder Fetischist sich mit dem Kapitel wohlfühlen darf und die Suchmaschinen den Text ganz weit oben führen werden, sofern mit den richtigen einschlägigen Begriffen (Brüste, zum Beispiel) gesucht wird. Auch tritt ein alter Bekannter auf, Ansgar der Kriegsbotschafter, um – weniger nett – Koristan den Krieg zu erklären. Natürlich, Doubladir erklärt niemandem einfach so den Krieg, das geht nur in Form von Heiliger Rache. Aber zu rächen gibt es immer was, so auch hier: Doubladir hat sich, auf welchem Weg auch immer, das Protokoll angeeignet, das Halan während des Kronrats im Vierten Kapitel von Engelsschatten geführt hat, und aus diesem Protokoll geht eindeutig hervor, daß Alexander zum Mord an Botschafter Selmar aufgerufen hat. »Schlagt euch von mir aus die Köpfe ein« – das ist klar, eindeutig und muß geahndet werden. Rache Alaaf!
Aber leider, und hier schlägt nun mein eigenes Kontinuum zurück, hat Alexander das so nie gesagt. Nicht in dem Teil, den Halan protokolliert hat, zumindest. Da sagt er nur sowas wie »Geht raus und kommt erst wieder rein, wenn eure Gemüter abgekühlt sind«. Vom Köpfeeinschlagen spricht er erst später, als nur seine Mutter und Halan anwesen sind. Sollte Halan ausgerechnet da noch mitprotokolliert haben? Das kann ich mir noch nicht so recht vorstellen, und bis ich eine passende Begründung für so ein Verhalten gefunden habe – Erschöpfung? Leerlauf? Automatismus? – kann es nicht weitergehen; so lange kommen die Papiere nicht auf den Tisch, als bis ich weiß, was drinsteht.
Was bleibt mir sonst übrig? Die Papiere stellen sich als Fälschung heraus? Oder: Alexander hat es doch genau so gesagt, und ich schreibe Band Eins um? Letzteres werde ich ganz sicher nicht tun. Das Erste Buch ist so fertig, daß es bereits eine erfreuliche Reihe von Leuten in dieser Form gelesen haben, und denen soll kein Bruch präsentiert werden, Bezug genommen werden auf etwas, das in Wirklichkeit aber ganz anders war. Aber unverrichteter Dinge wird der Kriegsbotschafter auch nicht gehen wollen, so ein Mann kommt schließlich nicht zum Nachmittagstee. Der Krieg muß erklärt sein, und der Krieg muß begründet sein, und sei die Begründung noch so abwegig und abartig. Ich brauche eine Lösung, und ich brauche sie dringend.
Nieder mit dem Kontinuum!