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Der Tag, an dem Hauptmann Mendrion verlorenging

Anfang des Jahres habe ich mich mit Verve und Elan auf Falkenwinter gestürzt und gute 300 Seiten geschrieben, als wäre der Abgrund persönlich hinter meine Seele her, bis mir alles, was mit Varyn zu tun hatte, aus den Ohren rauskam und ich mich lieber mit dem Gefälschten Siegel einer völlig neuen Geschichte zuwandte. Aber nun habe ich neue Perspektiven für die Elomaran und auch wieder Lust und Spaß, an der Geschichte zu arbeiten – aber um den richtigen Anschluß hinzukriegen, hielt ich es für eine gute Idee, erstmal das zu lesen, was ich im Frühling zu Papier gebracht habe. Mich interessierte, wie genau das Verhältnis zwischen Varyn und Dannen war, und welche Rolle Mendrion in Falkenwinter noch gespielt hat: Wenn das jetzt zusammen mit Dämmervogel einen Band ergibt, dann kann der Hauptmann nicht mittendrin plötzlich an Bedeutung verlieren.

Also, alles ab Kapitel Drei nochmal lesen, wobei ’nochmal‘ das falsche Wort ist – ‚erstmals‘ trifft es deutlich besser. Ich hasse meine Texte, wenn sie frisch sind, und ertrage es nicht, sie zu lesen, bevor sie nicht mindestens ein Vierteljahr zum Sacken hatten. Das ist einer der Gründe, warum die Texte auf der Webseite immer so viele Fehler aufweisen – ich jage sie durch die automatisierte Rechtschreibkorrektur und lade sie hoch, in der Hoffnung, daß meine Leser mehr Lust auf den fertigen Text haben als ich. Also las ich von Dannens Hochzeit, ein Kapitel, das ich sehr genoß, und wie Mendrion dem Richter begegnet, woran ich mich schon gar nicht mehr erinnern konnte, und von der großen Schlacht, die plötzlich viel besser gelungen erschien als damals, als sie noch frisch war, und wie Dannen mit seinen verbleibenden Geschwistern in einer Scheune Kriegsrat abhält…

Und dann hing ich heulend am Telefon und rief meinen Freund an, der diese Woche beruflich unterwegs ist und mir nicht wie sonst mit Rat, Tat und freundlich zum Anlehnen gebotener Schulter zur Seite stehen kann. Ich hatte es verbockt. Versaubeutelt. Ruiniert. Ich, die ich sonst meine Plotlinien jongliere, als gebe es nichts Einfacheres und Übersichtlicheresm, hatte einen katastrophalen Anschlußfehler erzeugt, und das Ergebis war: Hauptmann Mendrion ist verschwunden. Spurlos. Eben noch plant Dannen ihn als Infiltrator ein, um dafür zu sorgen, daß Varyn nach Lomar reitet – aber im Kapitel drauf, »Varyn reitet nach Lomar«, das zwar lange fertig ist, es aber noch nicht auf die Webseite geschafft hat, kommt kein Mendrion vor. Er ist weg, wird nicht erwähnt und nicht vermißt. Alles nochmal durchgelesen – ist er vielleicht doch noch dabei, als Dannen heimwärts hetzt? Nein, da ist nur Jaro. Kein Hauptmann Mendrion. Und aus Ausrufen half nichts. Er meldete sich nicht mehr.

Was tun? Das Neunte Kapitel, das ja ohnehin nie an die Öffentlichkeit gekommen ist, neu schreiben? Bei der Vorstellung schüttelt es mich. Ich hasse Neuschreiben, und vor allem basiert alles, was ich danach geplottet habe, auf dem Kapitel in der aktuellen Form, und ein Auftreten Mendrions würde das alles durcheinanderbringen. Nach langem Heulen und Zähneknirschen habe ich dann das Dannen-Kapitel geändert – er stellt jetzt Mendrion doch lieber Leota an die Seite, aus Angst, daß der karrieregeile Hauptmann von Varyn zum General befördert wird und sich danach den Dannen geleisteten Treueschwur an den Hut steckt. Aber trotzdem, daß das nötig war! Daß mir das passieren konnte!

Sack und Asche über mein Haupt. Von nun an werde ich versuchen, meine Texte vielleicht doch mal zu lesen, bevor ein Vierteljahr um ist. Gut genug sind sie ja eigentlich dafür schon.

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