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Die Klinge am Kehlkopf

Die Klinge eines großen scharfen Messers, dicht an die Kehle gedrückt, spürt man kaum. Für einen Moment ist da ein irritierendes Gefühl der Kälte, aber nur ganz kurz, dann ist die Schneide auf Körpertemperatur. Es tut nicht weh. Es ist nur irgendwie seltsam – und gefährlich ist es natürlich auch. Trotzdem stand ich da, hielt mir das große Kochmesser an den Hals und wartete einige Augenblicke lang, während mein Freund meinte, nun sei es doch wirklich genug, bis ich es wieder fortnahm. Was war geschehen?
Das wichtigste zuerst: Ich lebe noch, und habe vor, damit auch weiterzumachen. Ich bin nicht selbstmordgefährdet. Ich bin bloß eine Autorin, die es ganz genau wissen will, und wissen muß.

Eine Szene ist mir eskaliert, das war nicht so geplant – eigentlich ging es mir nur darum, Alexander wieder für den Plot zu motivieren, denn er hatte nicht weniger vor, als alle Brocken hinzuschmeißen und sich aus dem Staub zu machen, egal, ob er dabei lebt oder stirbt: Jetzt habe ich also neben Varyn schon den zweiten lebensmüden Helden, der nur mittels Erpressung im Rennen gehalten wird, und für das Erpressen war in diesem Fall Ember von Valon zuständig, die alte Schweinebacke. Wenn es einer kann, dann Ember. Leider ist der Dialog zwischen den Beiden aber dann etwas aus dem Ruder gelaufen, was Embers eigene Schuld ist, er hat Alexander unter der Gürtellinie so dermaßen beleidigt, daß dem endlich mal wieder die Sicherungen durchbrennen – normalerweise versetzt ihn allein Embers Anwesenheit in eine Art Schockstarre, denn jeden anderen hätte er in der Situation schon längst zusammengeschlagen, wie es sonst seine Art ist – jedenfalls stürzt sich Alexander auf Ember.

Das zu schreiben war kein Problem – Alexander läßt sich so von seinem Zorn übernehmen, daß ich eine komplett innere Perspektive hatte, in der er kaum wahrnimmt, was er tut, sondern nur noch, wie sich der Zorn anfühlt. Sowas kann ich schreiben, besser als mir lieb ist – ich hoffe, niemand wird sich nach der Lektüre Sorgen um mich machen, denn es ist ein arg gewaltverherrlichender Absatz geworden, mehr Wahn als Wirklichkeit und sehr weit auf der Dunklen Seite. Aber immer, wenn alle Scheinwerfer nach innen gerichtet sind, gefallen mir meine Szenen sehr gut – muß ich statt dessen einen Kampf aus der Außensicht beschreiben, kommt nur Müll heraus. Ich habe ein gestörtes Verhältnis zu meinem Körper und nehme Bewegungsabläufe nicht oder nicht richtig wahr, meine Wahrnehmung ist meistens ganz nach innen gerichtet, und mein Körper ist das, was da irgendwie an meinem Hirn dranhängt.

Meistens kann ich das beim Schreiben ganz gut kaschieren – es sei denn, ich habe eine dermaßen körperorientierte Szene wie einen Kampf. Dann trete ich meistens selbst in Aktion, spiele das Geschehen im Zeitlupentempo nach und kommentiere dabei jede Bewegung, um es mir fürs Schreiben einzuprägen. Für ein Duell in der »Öbba«, meinem alten Gemeinschaftswerk, fochten Monica und ich mit einer Vogelstange und einem Kugelschreiber, und ich zog mir einen Ratscher in der Handfläche zu, der dann auch eins zu eins in der fertigen Szene auftauchte. Für eine besonders dramatische Schwertkampfaktion in »Eine Flöte aus Eis« wirbelte ich mit einem Kochlöffel in der Hand durch meine Küche und knallte ganz undramatisch gegen meine Küchentheke, woraufhin auch der kämpfende Felder in einen Baum krachte. Und um zu wissen, wie es sich anfühlt, wenn Alexander plötzlich von Embers Dolch an seiner Kehle aus der Berserkerwut gerissen wird, nahm ich das Kochmesser…

Später kniete ich dann am Boden auf Christoph, der mir – mit einem Bleistift statt des Messers! – demonstrierte, wie Ember dann Alexander ganz in seine Gewalt bekommt, und wie er ihn danach am wahrscheinlichsten von sich wegstößt, und ich versuchte mir alles ganz genau einzuprägen und setzte mich hin und schrieb die Szene zuende. Jetzt muß der Dialog irgendwie ohne Totschlag weitergehen – aber die erste Hälfte der Szene, die mit der Inneren Sicht, gefällt mir immer noch am Besten.

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